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ES BRENNT – Acht Brandbriefe der Freien Bühnen Münchens

In München wird gerade eine kulturpolitische Entscheidung getroffen, die die Existenz der freien Theaterszene insgesamt und die der Freien Bühnen ganz besonders bedroht. In acht BRANDBRIEFEN beschreiben die Freien Bühnen ihre äußerst prekäre Situation und fordern von den Verantwortlichen der Münchner Kulturpolitik ein radikales Umdenken!

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BRANDBRIEF 8

STADT – LAND – FLUSS
Das ewige Spiel

Die Isar besitzt je Kubikmeter durchschnittlich 0,012 Gramm an waschbarem Gold. Und weil das türkisgrüne Juwel nicht nur der schönste Fluss in Deutschland ist, sondern auch großherzig mit seinen Schätzen umgeht, kann jeder Mensch mitnehmen, was er dort findet.
Das Land Bayern verfügt dieses Jahr über einen Haushalt von 71,2 Milliarden Euro und gibt 900 Millionen Euro für Kunst und Kultur aus, mehr als jedes andere Land, betont der zuständige Minister Markus Blume. Auch das ist großherzig, nur erreicht das nicht jeden Menschen in Bayern. Für die freie Szene in der Landeshauptstadt München ist es lukrativer in der Isar Gold zu waschen, als auf eine Unterstützung durch den Freistaat zu hoffen. Freie Bühnen oder Einrichtungen mit Sitz in München sind von der Förderung durch das Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst seit vielen Jahren explizit ausgeschlossen!
Nun ist es nicht so, dass die Münchner Politik mit einem Kulturbudget von mehr als 269 Millionen Euro das als Vorwand nehmen sollte, um die letzten Freien Bühnen der Stadt an die Wand fahren zu lassen. Aber selbstverständlich ist es ein Skandal, dass das Land Bayern seiner Hauptstadt jegliche Unterstützung bei der Finanzierung und dem Erhalt der freien Szene verweigert, und damit vielen Menschen, die das Kulturland Nummer 1 erst zu einem solchen machen, die Existenzgrundlage entzieht.

WIR FORDERN, DASS DIE VERANTWORTLICHEN IN DER BAYERISCHEN LANDESPOLITIK DIE KUNST IN GANZ BAYERN – OHNE AUSNAHMEN – GERECHT FÖRDERN!

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BRANDBRIEF 7

GESCHICHTE
Früher war nicht alles gut, aber mehr los – Auf den Spuren der Münchner Privattheater

Wo heute Kettenläden, Coffeeshops und Nagelstudios das Bild der Münchner Innenstadt prägen, begann Anfang der 60er Jahre das pulsierendste Jahrzehnt der „nördlichsten Stadt Italiens“. Es brach sich ein Lebensgefühl Bahn, das sämtliche Stereotype deutscher Spießigkeit über den Haufen warf. Beat-Schuppen, Flower-Power-Happenings, Freiluftgalerien, Programm-Kinos und unzählige improvisierte Bühnen machten den Eindruck eines ständigen Ausnahmezustands, der selbst in den großen Metropolen Europas für Erstaunen sorgte.
Ohne Genehmigung hatte die Stadt das geduldet; für die Kunst eröffneten sich dadurch Freiräume wie nie zuvor und nie wieder danach. München war nicht mehr Provinz, im Gegenteil, die Subkultur der „gemütlichen“ Stadt an der Isar hatte eine Strahlkraft weit über die Landesgrenzen hinaus und wurde mit ihrer neuen Musik- und Theaterlandschaft zu einem Hauptakteur bei der Protestbewegung von 1967/68 in Westdeutschland.
Von einer lebendigen Subkultur kann in München heute nicht mehr die Rede sein. Sicher, die Zeiten ändern sich, sicher ist auch, dass nicht alles hausgemacht ist. Betrachtet man aber die Entwicklung der bayerischen Landeshauptstadt im Vergleich zu anderen Großstädten in Deutschland, ist auffällig, dass München seit Jahren wirtschaftlich und demographisch zu den Spitzenreitern gehört, während die freien Bühnen zunehmend in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Der einseitige Fokus der Stadtpolitik auf wirtschaftlichen Erfolg ist erdrückend und schafft toxische Rahmenbedingungen für die letzten noch existierenden Privattheater genauso, wie für die Freien Szene Münchens insgesamt.

WIR FORDERN EINE SIGNIFIKANTE AUFWERTUNG DER FREIEN KUNST, DAMIT MÜNCHEN NICHT NUR ALS WIRTSCHAFTSSTANDORT, FUSSBALLMETROPOLE UND RENTNERPARADIES WAHRGENOMMEN WIRD!

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BRANDBRIEF 6

NACHFRAGE UND KEIN ANGEBOT
Die Bedeutung der Stadtteilkultur und der Kampf der Münchnerinnen und Münchner für ihre Freien Theater

Die freie Szene wird seit Jahren als kostensparende, innovative Alternative zur „Hochkultur“ betrachtet. Während sich die höchst ambitionierten Prestigeobjekte Münchens durchwegs im dreistelligen Millionenbereich bewegen, kämpfen die Freien Theater um zweihunderttausend Euro. Eine verschwindend geringe Summe im Etat der reichsten Stadt Deutschlands, mit einem Gesamthaushalt von voraussichtlich rund 8,6 Milliarden Euro im Jahr 2023. Trotzdem ist das der Münchner Kulturpolitik immer noch zu viel, und das obwohl das Publikum der freien Szene größer ist als das der staatlichen- und städtischen Theater zusammen!
Wie sehr die Münchnerinnen und Münchner ihre Freien Theater lieben und wie wenig die Politik das zur Kenntnis nimmt, wurde in der Pandemie ersichtlich. Während sich die Stadt bei den Coronahilfen dezent zurückhielt, erreichten die Freien Theater unzählige Klein- und Kleinstspenden aus der Bevölkerung. Diese überwältigende Solidarität war nicht nur ein Zeichen der Wertschätzung, sondern der Wille, den Fortbestand der Freien Theater sicherzustellen. Ein Bekenntnis, das wir von der Münchner Kulturpolitik seit Jahren vergeblich einfordern.

WIR FORDERN, DASS DIE KULTURPOLITIK DEN WILLEN DER MÜNCHNER BÜRGER ZUR KENNTNIS NIMMT!

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BRANDBRIEF 5

NACHHALTIGKEIT
Ins Gegenteil verkehrt

Freie Theater sind ausgesprochen egalitär und divers aufgestellt, sie sind Impuls- und Ideengeber, die in einer Demokratie dringend gebraucht werden. Durch deren dezentrale Struktur – sowohl in den Stadtvierteln lokal vor Ort arbeitend als auch mit globaler Perspektive – wird ein großes Publikum integriert und Denkansätze für die Transformation gesellschaftlicher Prozesse aufgezeigt. Genau das wird mit viel Mühe, Energie und noch mehr Geld in staatlichen- und städtischen Institutionen zu erreichen versucht.
Umso widersinniger ist es, den Freien Theatern ihre Existenzgrundlage zu entziehen. Der Geiz der Kulturpolitik verhindert damit einen wesentlichen Beitrag, den die freie Kunst im Sinne einer fortschrittlichen, ästhetischen und inhaltlichen Entwicklung für unser Zusammenleben leisten könnte.

WIR FORDERN EINE DAUERHAFTE EXISTENZGRUNDLAGE FÜR DIE FREIEN THEATER MÜNCHENS!

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BRANDBRIEF 4

GENERATIONENWECHSEL
Die Erwartungshaltung der Kulturverwalter und die Angst vor dem Prekariat

Was kann ein junger Mensch in München mit 500 Euro im Monat machen, wenn er bestens ausgebildet, eine Vielzahl an Talenten und Fähigkeiten besitzt, ungeheuer fleißig, intelligent, sozial kompetent und politisch interessiert ist? Wenn sein idealistischer Antrieb so groß ist, dass er sein Privatleben in den Hintergrund stellt und dafür täglich die Toiletten putzt? Richtig: Verhungern!

So absurd diese Gleichung anmutet, es offenbart, was es bedeutet, eine junge Generation in die durch und durch prekären Theaterbetriebe in München zu integrieren. Denn 500 Euro im Monat gibt es nur, wenn der Mensch in der einzigen Produktion, die mit den wenigen Fördergeldern realisierbar ist, mindestens das Buch schreibt und die Regie macht. Selbstverständlich muss er noch 365 Tage im Jahr ehrenamtlich die Leitung des Theaters übernehmen und am Ende jeden Monats die Angst verdrängen, mit der Miete in den Rückstand zu kommen.

Für viele von uns, die heute in der Theaterleitung tätig sind und ihre Bühnen an die nächste Generation weitergeben möchten, stellt sich die Frage; ist das die totale Ignoranz der Münchner Kulturpolitik oder vielmehr Strategie. Sollen die letzten Freien Bühnen wirklich vor die Hunde gehen?

WIR FORDERN EIN FÖRDERMODELL, DASS JUNGEN THEATERSCHAFFENDEN EINE LANGFRISTIGE PERSPEKTIVE ERMÖGLICHT!

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BRANDBRIEF 3

ABWICKLUNG DER LETZTEN 8
Eine endlose Geschichte der Selbstausbeutung

München hat über 1,5 Mio. Einwohner und noch acht Freie Stadtteiltheater, deren Projekte gefördert werden. Damit kommen auf jede Spielstätte 187.500 Münchnerinnen und Münchner, das ist mehr als die Einwohnerzahl Regensburgs. Warum ausgerechnet diese acht die katastrophale Förderpolitik der Münchner Kulturverwalter überlebt haben, hat unterschiedliche Gründe; was aber für alle dieser Spielstätten gleichermaßen gilt, ist die Bereitschaft zur rigorosen Selbstausbeutung.
Während Musiker und Schauspielerinnen endlich! nach länderübergreifenden Vergütungsregelungen bezahlt werden (sollen), ist für das gesamte Personal, das ganzjährig für den Betrieb einer Spielstätte zuständig ist, vom Kulturreferat München 0 Euro vorgesehen. In Worten; NULL Euro! Das betrifft die Theaterleitung genauso wie das Personal für Produktion, Buchhaltung, Steuerberatung, Öffentlichkeitsarbeit, Technik, IT, Instandhaltung und Reinigung – und dazu kommt die Miete der Spielstätten!!

Alle Kosten, die nicht über ein Projekt abgerechnet werden können, gehen zu Lasten der Theaterbetreiber. Man muss keinen Taschenrechner bemühen, um zu prognostizieren, dass die letzten Freien Bühnen Münchens in die Insolvenz getrieben werden.

WIR FODERN EIN FÖRDERMODELL, IN DEM DIE WERTSCHÄTZUNG DER THEATERLEITUNG UND DES GESAMTEN PERSONALS SICHTBAR IST!

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BRANDBRIEF 2

STANDORTNACHTEIL
Wie horrende Mieten München zur (sub)kulturfeindlichsten Großstadt Deutschlands machen.

Der hiesige Armutsbericht gibt als Grenze 1.350 Euro an, bei so einem Einkommen würden in der freien Szene Münchens die Korken knallen. Künstler, und mehr noch Künstlerinnen, müssen in Bayern durchschnittlich von weniger als 900 Euro im Monat leben. Nur wie? Und vor allem wo? München ist die teuerste Stadt in Deutschland. Im 2. Quartal 2023 lag die durchschnittliche Monatsmiete (Neubau) bei 20,70 Euro pro Quadratmeter. Da wird es für Geringverdiener verflixt eng und für Leute, die von der Kunst leben nahezu unmöglich.

Die Folgen für die freie Kunst in unserer Stadt sind katastrophal. Während die bayerische Metropole seit Jahren einen Boom in der Hightechbranche erlebt, und die örtlichen Mieten den hochbezahlten Mitarbeitern von Apple, Microsoft und Amazon höchstens ein müdes Lächeln abringen, verlassen die in München bestens ausgebildeten Kunst- und Kulturschaffenden in Scharen die Stadt. Berlin, Wien, Hamburg, Leipzig, überall sind die Rahmenbedingungen besser als an der Isar.

FÜR DIE FREIE SZENE IN UNSERER STADT FORDERN WIR DREI DINGE: BEZAHLBARE RÄUME, BEZAHLBARE RÄUME UND NOCHMALS BEZAHLBARE RÄUME!

München ist eine sehr wohlhabende Stadt: Die kommunale Steuerkraft ist mit 1.872 Euro je Einwohner bemerkenswert hoch. Beim Ranking der deutschen Städte mit dem höchsten Niveau im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum steht München unangefochten auf Platz eins. Gleichzeitig wird ein Anstieg der Einwohnerzahl bis zum Jahr 2040 um 14 Prozent auf voraussichtlich 1,81 Millionen erwartet. Die Anzahl neuer Orte, die der Freien Kunst kostengünstig zur Verfügung stehen sollten, müsste den Bedürfnissen einer schnell wachsenden Landeshauptstadt schon längst entsprechen – und was passiert?

WIR FORDERN, DASS DIE LETZTEN NOCH ERHALTENEN FREIEN SPIELSTÄTTEN IN MÜNCHEN ERHALTEN WERDEN!

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BRANDBRIEF 1

ADERLASS
Das leise Verschwinden der Subkultur aus unserer Stadt. Wie der Mangel an Wertschätzung von Stadt und Land eine der bedeutendsten Zentren freier Kunst zerstört (hat).

Am 31. Januar 1994 stand eine Guillotine vor dem Münchner Rathaus. Auf einem Plakat dahinter stand: „Münchner Kultur auf dem Schafott“. Es war eine Demonstration der Künstler Münchner Privattheater gegen das städtische Förderungsmodell des Kulturreferats. Maßgeblich beteiligt war das Hinterhof Theater von Günter Knoll. Wie viele andere Münchner Spielstätten gibt es diese Bühne nicht mehr, das berüchtigte Fördermodell dagegen schon. Unter dem irreführenden Namen „Dreijahresförderung freie Bühnen“ bekommen die Privattheater lediglich die Zusage, dass sie über drei Jahre Projektgelder erhalten. Alle laufenden Kosten, das Personal und die gesamte Infrastruktur, die nicht über ein Projekt abgerechnet werden können, müssen von den freien Theatern zu 100% selbst finanziert werden. Eine Förderung der Bühnen an sich existiert bis heute nicht!

Bereits seit Jahren wird vom Münchner Kulturreferat die dringend erforderliche Neuregelung des Fördermodells für die Freien Bühnen verschleppt, der Niedergang der gesamten freien Theaterszene wird dabei billigend in Kauf genommen. Einer Szene, der München einen beträchtlichen Teil seiner Leuchtkraft verdankt.

WIR FORDERN EIN KLARES BEKENNTNIS DER KULTURPOLITIKER UNSERER STADT:
Wollen die Münchner Stadträte eine breit gestreute Kulturszene oder wollen sie das nicht? Und wenn nicht, dann sollen die Verantwortlichen das bitte laut und deutlich sagen. Es geht hier um eine kulturpolitische Entscheidung, die alle Münchnerinnen und Münchner betrifft. Und über diese kulturpolitische Entscheidung müssen wir reden, und zwar öffentlich!